Ich bin dann mal still…
Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ trifft es nicht so ganz – „Ich bin dann mal kurz still“ passt definitiv viel besser. 😉 Warum? Wieso? Weshalb? Ich habe mich dazu entschlossen ein Schweigeseminar auszuprobieren und einmal in die Welt der Stille, der Achtsamkeit und der tiefen Meditation einzutauchen.
Mein äußerlich ruhiges Abenteuer liegt zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Blogbeitrages noch vor mir und ich habe mich bewusst dazu entschieden, vorab über meine Erwartungen zu schreiben.
Meine Beweggründe
Ich biete Körperarbeit und Mentaltraining nebenberuflich an – die meisten von euch wissen das – und ich halte genau diesen Punkt für wichtig, um Klienten noch besser verstehen zu können. Ich bin mitten im Berufsleben, ich weiß, wie das Berufsleben funktioniert oder bin zumindest seit knapp 10 Jahren Teil davon. Ich bin nicht esoterisch, immer mit beiden Füßen am Boden und dennoch offen für Neues. Seit geraumer Zeit ist mein Credo, dass man sich erst ein Urteil bilden kann, wenn man es selbst ausprobiert hat. Nicht umsonst sagt ein indianisches Sprichwort: „Urteile nie über einen anderen, bevor Du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist“. Und wie viele Dinge habe ich schon gemacht, die von außen betrachtet etwas befremdlich gewirkt haben. Fasten, bewegte Meditation (das klingt „normaler“ als es aussieht 😉), Atemtechniken, Körperübungen usw. Das hat ganz oft seltsam ausgesehen, sich innerlich aber toll angefühlt. Kurzum mir ist es wurscht, wie es aussieht, mir ist es egal, wie es wirkt, ich bin neugierig und ich will wissen, wie sich manche Dinge auf mein Innenleben auswirken. Da ich ab September einen neuen Job antrete, habe ich im August noch ein bisschen Zeit, um ein paar Dinge von meiner „Bucketlist“ abzuarbeiten. Und so habe ich mich entschlossen ein Zen-Retreat in einem buddhistischen Kloster zu machen – im Schweigen versteht sich – so nach dem Motto „Wenn schon, denn schon.“ ….;-)
Wozu das Ganze?
Ehrlich gesagt erwarte ich mir keine großartige Erkenntnis, auch nicht die Erleuchtung oder irgendwas in dieser Richtung – wie schon gesagt, ich bin manches, aber esoterisch bin ich nicht. Mein Beweggrund ist wie so oft Neugier. Ich will wissen, wie das ist. Ich will wissen, ob ich das durchhalte und ich will wissen, welche Menschen so etwas machen (abgesehen von mir 😉). Die Tage sind straff durchgeplant. Es wird viel meditiert, das ist klar – auch Arbeitsmeditationen sind eingeplant (zB Gartenarbeit, in der Küche helfen etc.). Zen Seminare gelten als recht dogmatisch, insofern rechne ich damit, dass tatsächlich alle still sind, sich möglichst nicht anschauen, um den Geist im Innen zu halten und sich ausschließlich mit seinem Seelenleben zu beschäftigen. Ich meditiere mittlerweile seit einigen Jahren, allerdings immer „nur“ 20 Minuten, morgens nach dem Aufstehen – mal geht es besser, mal schlechter, selten, aber doch lasse ich eine Einheit ausfallen. Von den geplanten 6 Stunden Meditation pro Tag bin ich also etwas entfernt. Und dennoch bin ich guter Dinge, weil Zen immer bedeutet, dass sich Sitz- (Zazen) und Gehmediationen (Kinhin) abwechseln. Insofern bin ich guter Dinge, dass ich den Meditationspart gut durchhalte.
I don´t speak anymore
Weitaus spannender wird es vier Tage lang nicht zu sprechen. Ich habe während eines Retreats auf Bali einen Tag lang geschwiegen und allein dieser eine Tag war intensiv. Wir neigen dazu, alles zu kommentieren „Schau, wie schön es hier ist“ – „Mhmm, das Essen ist super lecker“ – „Mein Gott, hast du das gesehen“ etc. An einem Tag im Paradies und das ist Bali definitiv, hätte man noch weitaus mehr zu kommentieren, als Zuhause in den eigenen vier Wänden – die Challenge war somit recht groß. Und dennoch war es cool, einfach mal nichts zu sagen – alles in Stille zu erleben und auch auszuhalten. Mit sich zu sein, wahrzunehmen, was der Geist so ausspuckt und zu bemerken, wie Gedanken kommen und gehen. Im buddhistischen Zentrum wird es anders sein – die Eindrücke von außen werden reduziert, die Stille wird länger aufrechterhalten und der Geist wird somit vermutlich noch lauter werden. Was wird produziert, wenn von außen wenig kommt? Was beschäftigt mich? Was will gesehen, „gehört“, gespürt werden? Wie intensiv wird das?
Spannend wird für mich auf das Teilen eines Zimmers mit fremden Personen. Auch das habe ich so noch nie gemacht. Ich weiß, dass ich mir mit zwei anderen Frauen einen Raum teile, der vermutlich recht groß ist (die Teilnehmerzahl pro Zimmer wurde aufgrund von Corona stark reduziert). Wie wird das sein? Mit zwei anderen Frauen (wir reden ja bekanntlich sehr gerne), schweigend mehrere Tage und Nächte zu verbringen? Gott bewahre, dass mir ein Wort rausrutscht. Ein Skandal bei einem Schweigeseminar.
Im Moment überwiegt trotz mancher Fragezeichen ganz klar die Vorfreude, die Neugier, die Abenteuerlust – ich bin gespannt, was mich erwartet und wie mein Bericht nach dem Zen Retreat ausfällt. Vermutlich ein spannender Abgleich zwischen Fantasie und Realität.
Ich schick euch schweigende Grüße.
Bis demnächst,
Sabine
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